14
LandKULT Ausgabe IV/2013
Gerabronn − Portrait Ehrenbürger
Das „Nudelschloss“
Einst pulsierte das Leben in der Gerabronner Stadtmitte
Heute
erinnert
das
wuchtige
Industriedenkmal „Nudelschloß“ als
letzter Zeuge
auf dem großen brachlie-
genden Gelände, das Israel einst gekauft
hatte an das
pulsierende Leben, dass es
hier einst ein gab. An
den hohen Zaun,
an das wuchtige Tor, die Gleise und
Züge, die vielen Menschen, die ein- und
ausgingen.
Unter großem Engagement seiner
langjährigen Mitstreiter, mit denen er
im Jahr 1890 das „Eisenbahn-Comité“
gegründet hatte, stimmte endlich nach
jahrelangen Kämpfen um eine verbes-
serte Verkehrsanbindung an die großen
Bahnnetze die Regierung in Stuttgart
dem Bau einer so genannten Sekun-
därbahn, einer Stichbahn vom Bahnhof
Blaufelden nach Langenburg zu. Bis
dahin hatten die Bauern stets mit Pfer-
defuhrwerken ihre Waren zur Fabrik
in Gerabronn oder zum Bahnhof nach
Blaufelden gefahren.
Israel Landauer hatte auf eigene Rech-
nung ein Gutachten bei einem Sachver-
ständigen erstellen lassen, in welchem
die Pläne und Kosten dieser Bahnan-
bindung exakt errechnet und dargestellt
waren, welches beim Regierungspräsi-
dium Stuttgart zur Genehmigung einge-
reicht wurde.
Aus der Erzählung eines alten Bauers
aus Rechenhausen ist überliefert, wie
Trickreich Israel das Stuttgarter Parla-
ment überzeugen konnte, dem Bau der
Sekundärbahn endlich zuzustimmen.
Von dort war ein Kontrolleur entsandt
worden, der die realen Fahrten
der Bauern mit ihren beladenen
Leiterwägen feststellen sollte.
Sein Kontrollpunkt war die
Stelle wo der Weg von Rechen-
hausen auf die Blaufelderstraße
mündet.
Daraufhin forderte Landauer
alle erreichbaren Bauern auf
einen ganzen Tag lang mit voll
beladenen Fuhrwerken zwischen
Rechenhausen und der Fabrik hin
und her zu fahren. Das Verkehrs-
aufkommen soll an diesem Tag so enorm
gewesen sein, dass der Kontrolleur voller
Überzeugung nach Stuttgart zurück-
kehrte. (Er hatte ganz offenbar nicht
bemerkt, dass immer wieder dieselben
Pferdewagen mit derselben Ladung an
ihm vorüber gefahren waren.)
So konnte nach zehnjährigen Bemü-
hungen endlich die Bahnverbindung im
Januar 1900 mit großen Festlichkeiten
eröffnet werden. Das große
Ereignis wurde natürlich gebüh-
rend in der Turnhalle gefeiert.
Post und Fracht wurden nun
nicht mehr mit der Postkut-
sche und Pferdewagen beför-
dert, Gerabronn und alle an der
Bahnlinie liegenden Orte waren
der großen Welt etwas näher
gerückt.
Einige Zeit später ließ Israel
Landauer eine direkte Gleis-
verbindung vom Gerabronner
Bahnhofsgelände bis ins Fabrik-
gelände verlegen, sodass auch der kurze
Zwischentransport von der Nährmittelfa-
brik zum Bahnhof entfiel und der Firma
einen weiteren Aufschwung möglich
machte.
In wenigen Jahrzehnten war es ihm
gelungen dem durch bäuerliche Fami-
lien geprägten Gerabronn einen neuen
Charakter zu geben. Es hatte sich der
Ort gewandelt. Das neue Industriezeit-
alter hatte auch hier Einzug gehalten.
Mit Genossenschaften, einer modernen
großen Fabrik und vielen Gewerbebe-
trieben waren neue Arbeitsplätze und
Arbeitsmethoden geschaffen worden.
Anderseits kritisierte ihn so mancher
Landwirt dafür, denn es war nun sehr
viel schwieriger geworden gute Knechte
und Mägde für die Stall - und Feldarbeit
zu finden.
In den achtziger und neunziger Jahren
waren viele neue und schöne Gebäude in
Gerabronn gebaut worden. Auch Israel
kaufte in jenen Jahren ein größeres
Grundstück an der Blaufelderstraße 42,
unweit der Nährmittelfabrik und baute
für seine große Familie ein stattliches
Wohnhaus, umgeben von einem großen
Garten, heute das Wohnhaus der Familie
Wankmüller. Der hintere Teil des Gar-
tens liegt direkt gegenüber dem Fabrik-
gelände. So hatte Israel einen kurzen
und angenehmen Weg zur Fabrik.
Irmgard Krikellis-Buck
Der erste private Kraftwagen in Gerabronn und sein
stolzer Besitzer Albert Wankmüller, Vorsitzender
des 1909 gegründeten Vereins der Motoren- und
Kraftwagenbesitzer im Oberamtsbezirk Gerabronn
im Bau um 1900
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...32